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Revenge - Das Erbe wiéna Daunt

1
Kayleigh

„Ich will ihn“, sagte Kayleigh leise, ohne Jenson dabei anzusehen. Ihre Augen waren auf den Mann gerichtet, der lachte und mit seinen Freunden trank.
„Ernsthaft?“, hakte ihr Mann nach. „So einen Strauch?“
Missbilligend schüttelte sie den Kopf. „Deine Meinung interessiert mich in diesem Punkt nicht. Ja oder nein, will ich hören.“
Er seufzte. „Und wenn er nein sagt? Er ist Söldner. Die sagen selten zu unklaren Angeboten ja.“
„Dann frag diesmal eben klarer.“
„Und wenn du das einfach mal machst? Du denkst auch, das ist ein Kinderspiel, was?“
„Denke ich und würde ich machen, aber ich bin heute nicht als Eilidh hier. Außerdem hast du klargemacht, dass du fragen gehst. Ich nehme dir deine Aufgabe doch nicht weg. Jetzt geh endlich“, zischte Kayleigh, sah ihren Lebensgefährten, Freund und ersten Offizier nun doch an und stach ihm den Finger vor die Brust.
Jenson wusste genau, dass sie immer bekam, was sie wollte und so seufzte er erneut, wandte sich ab und ging zu dem Tisch, mit der kleinen Männerrunde. Kayleigh hörte nicht, was er sagte, doch sie sah, dass er ernst blieb, während der Andere lachte und Witze zu machen schien.
Kurz darauf kam Jenson zurück und schüttelte den Kopf. „Er will nicht.“
Kayleigh brummte missmutig.
„Such dir einen anderen.“
„Ich will ihn.“
„Er will aber nicht.“
„Ich will aber!“
Jen schloss kurz die Augen, verzog das Gesicht, wandte sich wortlos ab und ging. Kayleigh blieb mit ihren zwei Wachen und beobachtete den Mann und seine Freunde. Sie ging alle Informationen durch, die sie über ihn hatte und überlegte, ob es nicht etwas gab, mit dem man ihn locken konnte. Als die Nacht zum Morgen wurde, das Gasthaus sich leerte und das Objekt ihrer Begierde sich auf sein Zimmer zurückzog, verließ auch Kayleigh die Stadt.
Zurück im Anwesen lief sie ohne Umwege auf ihr Zimmer, schlug die Tür hinter sich zu und ließ sich vorwärts aufs Bett fallen. Nur Sekunden später senkte sich die Matratze zu ihren Seiten und noch einen Moment darauf spürte sie Jensons Lippen, die ihr Ohr küssten.
„Du bist noch wach?“, fragte sie leise.
„Schlafe ich jemals?“
„Selten, wie wir beide wissen. Hast du schon geschlafen?“
„Nein“, antwortete er, schob ihre Haare aus dem Weg und küsste ihren Nacken.
„Bist du nicht müde?“
„Nein. Du?“
„Etwas.“
„Mhh.“
Sie schloss die Augen, als er begann, seine Hand unter ihr Oberteil zu schieben und ihre Seiten zu kraulen. Mit ihm hatte sie das größte Glück. Jenson Highgrade war alles, was sie sich erträumen konnte. Er war stark und seine Willenskraft brach so gut wie nie. Er war standhaft und loyal. Er war ihre Stütze in schweren Zeiten und immer für sie da. Ebenso ließ er ihr aber auch ihren Freiraum. Sogar sehr viel mehr als irgendein anderer Mann es je tun würde.
Und das Sahnehäubchen war, dass er verdammt gut aussah, mit seinen dunklen Haaren, den tiefen braunen Augen, den markanten Zügen und dem heißen Rest. Er war nicht perfekt. Keineswegs. Jenson war launisch und oft grummelig. Er brummte viel vor sich hin. Seine Haut zierten Male von Gefechten oder Unfällen. Über sein linkes Auge zog sich eine haarfeine schräge Narbe, die man nur in hellem Licht sah. Ihm fehlte an einem Ohr oben ein Stück, weil er als Junge von einem Tier gebissen worden war. Er hatte ein Feuermal auf dem Rücken, ein Überbleibsel einer schweren Krankheit, die noch gar nicht so lange her war. Und er hatte ein schwaches Bein. Es schränkte ihn nicht ein, nur hatte er bei bestimmten Bewegungen Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten.
Dennoch, Jenson war perfekt für Kayleigh. Seine unglaubliche Sanftheit ihr gegenüber machte sie unwahrscheinlich an.
Sah man ihn, konnte man es durchaus mit der Angst zu tun bekommen, weil er stets grimmig dreinschaute und seine Aura überdeutlich klarmachte, dass er die meisten Menschen hasste. Kayleigh hatte ihn aber gesehen und sofort in ihren Reihen haben wollen. Sie hatte ihn angesprochen, er hatte abgewehrt. Doch sie war stur geblieben, hatte ihm Geld und eine feste Anstellung geboten. Hatte ihm den Posten ihres ersten Offiziers versprochen. Sie hatte alles versucht und gegeben, doch nichts hatte ihn umstimmen können. Nichts, bis auf eine Sache.
„Ich will Euch, Milady. Wenn ich Euch haben kann, bleibe ich“, hatte er gesagt.
Für den Moment hatte Kayleigh nichts erwidern können, so überrascht hatte er sie. Damals war sie noch ziemlich jung und unerfahren im Posten des Oberhauptes einer Stadt gewesen. Sie hatte gerade erst das Amt des Stadthalters übernommen. Da sie weder Führung durch ihre Eltern noch durch irgendeinen Rat hatte in Anspruch nehmen können, hatte sie nicht gewusst, wie genau er das nun gemeint hatte und vor allem umsetzen wollte.
Sie war eine junge Halbelfe Anfang zwanzig und Erbin von Daunt, er war ein erfahrener Menschenmann Anfang dreißig und reisender Kämpfer. Kein Söldner! Darauf hatte er immer Wert gelegt. Trotzdem. Jenson hatte keinen Namen und kein Erbe. Er war ein einfacher Mann, aber er hatte, was Kayleigh wollte und wie sich später herausgestellte, hatte er sogar noch viel mehr. Sie hatte Ja gesagt, weil sie neugierig gewesen war. Männer waren schon immer ihre Leidenschaft gewesen. Sie umgarnte sie gern, schlief gern mit ihnen und zog sehr gern ihre Vorteile daraus.
Vor ihrem Amtsantritt war sie, durch einen Zauber getarnt, als Eilidh von den Westwäldern viel im Süden des Landes gereist und hatte viele Männer kennengelernt. Einige hatten sie als Wanderhure bezeichnet, denn ab und zu nahm sie auch Geld von ihnen. Irgendwer musste ihre Reisen ja finanzieren. Doch Kayleigh war keine Hure. Sie war einfach eine Frau, die gern Spaß hatte. Diese wilde Seite hatte sie definitiv von ihrer Mutter geerbt. Die war eine Elfe und Elfen waren bekannt dafür, wilder und unbändiger zu sein. Der Grund, warum ihr Vater eine geheiratet hatte.
Jensons Hände hatten mittlerweile den Stoff des Oberteils hochgeschoben und seine Lippen strichen sanft über ihren unteren Rücken. Sie hob den Po ein Stück an, stieß ihn damit sachte von sich und brachte ihn zum Lachen. Schon war er wieder komplett über ihr, biss ihr sachte ins Ohr und kitzelte sie als Strafe.
„Wach?“, fragte er schließlich neckisch. „Perfekt.“ Sein Gewicht verschwand, dafür griff er den Bund ihrer Hose und zog. Ihre Schuhe streifte sie selbst von den Füßen, ohne sich weiter zu erheben. Die störenden Kleidungsstücke fielen, Jenson kam wieder auf das Bett und setzte seine Küsse auf ihrem Nacken fort. Kayleigh lag noch immer bäuchlings und genoss die Liebkosungen einfach.
Erneut verschwand sein Gewicht für einige Augenblicke. Kayleigh blieb liegen und grinste in die Bettdecke. Seine Hände fuhren um ihre Mitte, packten ihre Hüften und zogen, bis sie auf den Knien hockte. Sie spürte ihn, fühlte seine Männlichkeit ebenso wie seine Aura. Beides war voller Erregung. Als er sie einnahm, seufzte sie lustvoll, ließ den Oberkörper auf das Bett sinken und genoss seine Bewegungen. Die Bewunderung und die Hingabe für sie, in seinem Tun und seiner Aura, wuchsen. Kayleigh nahm es auf, wie warme Honigmilch im Winter. Jenson Highgrade liebte sie und er hatte keine Scheu, es auch zu zeigen. Noch eine Eigenschaft, die man ihm nicht zutraute, für die Kayleigh ihn aber umso mehr verehrte.
Ihre eigene Erregung mehrte sich, mit dem Anstieg seiner Gefühle. Sie erhob sich, drückte sich an ihn und wurde von seinen Armen umschlungen. In seinen Bewegungen hielt er nicht inne.
Eine Hand hielt sie fest, die andere fand den Weg zu ihrer Scham. Während Jens Atem an ihrem Ohr entlang streifte, sein leises Stöhnen ihr Wellen von Lust durch den Körper schickte und sie selbst ihre Hände in seiner Haut und seinem Haar vergrub, brachte seine Hand in ihrem Schritt, den Höhepunkt ihrer Lust immer näher.
Sie passte sich seinen Bewegungen an, er wurde drängender. Der Arm, der sie hielt, zog sie fester heran, die Hand in ihrem Schritt hielt sie ebenso, wobei seine Finger jedoch nicht innehielten. Kayleigh hatte kaum noch eine Möglichkeit, mitzumachen, also ließ sie sich von ihm führen. Jenson nahm sie mit. Nahm sie ein. Nahm sie völlig. Sein Höhepunkt kam und die Welle an Ekstase, die er körperlich und geistig ausstieß, brachte auch Kayleighs Sinne zum Überschäumen. Ihre Zehen krampften sich zusammen, ihre Hände würden zittern, hielte sie sich nicht an dem Mann fest, der ihr die Sterne zu Füßen legte.
Ihre Bauchmuskeln zuckten und hätte Jenson sie nicht gehalten, hätte Kayleigh nun die Kraft verloren, sich aufrechtzuhalten. Doch er kannte sie, wusste, wie sie reagierte und was er tun konnte, um ihre Lust zu verlängern. Er blieb in ihr. Bewegte sich leicht, sanft. Hielt sie fest und gab ihr Sicherheit.

Nur wenige Stunden später wurden beide unsanft geweckt. Die Dienerschaft strömte ins Zimmer, zog die Vorhänge auf und wuselte, alles andere als leise, geschäftig durch den Raum. Jenson brummte und zog die Decke über den Kopf. Auch Kayleigh hätte sich liebend gern in den Laken vergraben, doch anders als ihr Geliebter konnte sie nicht einfach liegenbleiben und die Zeit bis zur nächsten Schicht verstreichen lassen.
Als Stadthalterin hatte sie eine Stadt zu halten und zu leiten. Sie zu regieren und sich eben darum zu kümmern, dass alles lief, wie es sollte und die Herrschaften es wollten. Mit Daunt und dessem ganzen Handelsgeschehen hatte sie in diesem Punkt eine Menge zu tun. Wo andere Stadthalter nicht mehr, als hochrangige Bewohner waren, die ihren Reichtum genossen, hatte Kayleigh viel Arbeit. Zwar unterhielt sie mittlerweile einen Rat, wie jeder Halter, doch wie keiner der anderen, arbeitete sie mit den Frauen und Männern zusammen.
Sie unterstützte sie und übernahm Aufgaben. Das sorgte dafür, dass jeder ihrer Räte sich vorbehaltlos für sie einsetzte. Wenn Kayleigh etwas von ihrem Vater gelernt hatte, dann, dass man sich Loyalität erarbeiten musste. Kaufen konnte sie jeder, allerdings war sie dann nicht echt und hielt nur so lange, wie das Geld reichte.
Die ganze Arbeit war jedoch auch einer der Gründe, warum sie noch immer unverheiratet war. Ihre Räte drängten Kayleigh, endlich einen Mann zu ehelichen. Sie war mit ihren dreiundzwanzig schon lange im heiratsfähigen Alter und hätte, wären ihr Vater oder ihre Brüder noch am Leben, sicher schon Mann und Kinder gehabt.
Nun ja, sie hätte Jenson sofort geheiratet, doch er war eben kein Mann von blauem Blut. Er hatte seinen Rang, weil sie ihm diesen gegeben hatte. Ohne den Offizierstitel war er aber in den Augen der menschlichen Adeligen nur ein Rumtreiber, ohne eigenen Wohnsitz oder überhaupt großartigen Besitz. Die Sitten des Adels in Kahár ließen es nicht zu, dass bürgerliches Blut in die höhere Gesellschaft einheiratete. Natürlich würde Kayleigh das gern sofort ändern, doch wer war sie schon?
Eine junge Halbelfe, nicht mal dazu erzogen, eines Tages die Halterin einer Stadt zu sein. Leider gab es genügend Verwandte im Land, die ihr das Leben in dieser Hinsicht schwermachten. Die Menschen waren so engstirnig, was das Erben anging. Als Elf oder Elfe unter den Menschen zu leben, war eine Herausforderung. Zu gern hätten Kayleighs Verwandte der Familie Malwick ihr auch die Stadtrechte abgesprochen, doch diese Möglichkeit war ihnen mit dem Testament ihres Vaters und dem Erbrecht der Elfen genommen worden.
Auch wenn er selbst keine Rechte an der Stadt gehalten hatte, hatte er gewusst, wie seine Familie nach seinem Tod reagieren würde. Er hatte Kayleigh also, im Falle ihre Mutter wäre nicht mehr und des Ablebens beider älterer Brüder, zur eindeutigen und einzigen Erbin gemacht. So wie es auch sein sollte. Daunt wurde von Elfen geführt, nicht von Menschen. Und auch er hatte die Führung ja nur einstweilen übernommen gehabt.
Mit siebzehn war sie Halbwaise geworden, mit achtzehn hatte sie ihr Erbe angetreten. Seit ihrem neunzehnten Lebensjahr war sie damit auf sich allein gestellt, denn ihre Mutter hatte ihr die Stadt überschrieben, Kahár verlassen und war zurück nach Ilhár gegangen. Kayleigh hätte ihr folgen können, doch dann wäre das Vermächtnis ihrer Familie untergegangen.
Daunt wäre womöglich von einer der reichsten Handelsstädte zu etwas verkommen, das niemand mehr anlaufen würde. Ihre unmögliche, menschliche Verwandtschaft hätte mit ihrem Geiz und ihrer Rücksichtslosigkeit schon dafür gesorgt.
„Sehen wir uns vor der Feier?“, fragte sie leise, zog Jenson die Decke vom Gesicht und strich ihm durchs Haar.
„Vermutlich noch eher, Kleines“, grinste er verschlafen.
„Ich freue mich drauf“, erwiderte sie, zog die Decke wieder über seinen Kopf und machte sich daran, den Tag zu beginnen.

​

2
Jenson

Im Anwesen herrschte Treiben und Hektik, was Jenson an sich vorbeiziehen ließ. Er schloss die letzten Knöpfe seiner Paradeuniform, während er die Flure entlang ging, ohne großartig nach links und rechts zu schauen. Sein Ziel waren die Küche und danach die Ställe. Für den Paraderitt zum Festgelände wollte er, dass sein Hengst perfekt aussah, also übernahm er dessen Aufrüstung selbst.
„Guten Morgen, Lord Highgrade. Wie geht es Euch heute?“, fragte Isabell, das Küchenmädchen, mit einem ehrlichen, wenn auch schüchternem Lächeln.
„Sehr gut, Isa. Ich hoffe, dir auch“, lächelte er zurück.
Ihres wurde breiter und sie knickste. „Wunderbar. Wie immer, wenn ich Euch sehe, Milord.“
Er quittierte ihr das Kompliment mit einem Kuss auf die Wange. „Kein Wort davon zur Lady“, sagte er verschwörerisch und meinte den Kuss.
„Niemals, Milord“, stimmte sie zu, griff den Bruchteil einer Sekunde seinen Arm und ließ ihre Finger sanft über seine Hand gleiten.
Jenson schenkte ihr ein weiteres Lächeln, stahl sich eine Scheibe Brot vom Frühstücksbuffet Kayleighs und verließ die Küche zum Lieferanteneingang. Der kürzeste Weg zu den Stallungen. Dort angekommen traf er auf seine Männer der Wache, die bei ihren Pferden standen und sich unterhielten. Er nickte ihnen grüßend zu, als sie salutierten, ging weiter zum Stall und betrat ihn.
Auch hier war einiges los. Sämtliche Tiere standen vor ihren Boxen angebunden, wurden gestriegelt und gewaschen. Ihre Mähnen wurden geflochten, die Schweife eingebunden. Ein paar standen in der Schlange für den Schmied und einige wurden bereits nach draußen geführt, wo die fertigen Tiere ihren Reitern übergeben wurden.
In einer Box im hinteren Drittel stand noch ein Pferd, um das sich bisher niemand gekümmert hatte. Ein nachtschwarzer, schlanker Hengst. Das Vollblut wies keine andere Farbe auf. Nicht ein Haar an ihm war auch nur eine Nuance heller als der dunkelste Schatten. Mitternacht stellte die Ohren auf und wieherte, als er seinen Besitzer erkannte.
„Na mein Großer? Bist du schon aufgeregt? Heute wird ein großer Tag für dich.“ Jenson schob die Boxentür auf, trat auf seinen tierischen Freund zu und legte ihm eine Hand auf die Nase. „Wirst du dich benehmen und machen, was du gelernt hast?“
Das Tier schnaubte.
„Sehr schön.“ Da sein Knappe das Pferd schon geputzt hatte, wandte Jenson sich um und verließ die Box. Mitternacht folgte ihm, als führe Jenson ihn am Zügel. Die beiden verließen den Stall und er befahl dem Pferd, am Zaun der Koppel stehen zu bleiben. Ein Handzeichen genügte und das Tier verharrte wartend. Jenson holte die Rüstung und das Sattelzeug für Paraden aus dem Lager und begann Mitternacht aufzuzäumen. Nur die Bänder in der Mähne und dem Schweif ließ er weg. Kay würde es später bemängeln, doch wenn er selbst schon wie ein Zirkusaffe aussah, musste er seinem Pferd diesen Firlefanz nicht auch noch antun. Fertig und mit allem Nötigen behangen, was mindestens für eine Parade sein musste, saß Jenson auf den Hengst auf, ließ ihn zwei kleine Proberunden auf dem Vorplatz drehen und gab seinen Männern ein Zeichen.
Den restlichen Vormittag übten sie noch mal die Aufstellungen und Abläufe. Sie korrigierten letzte Fehler und trennten sich zur Mittagsstunde für eine kurze Pause vor Beginn der Feierlichkeiten.
Jedes Jahr zur Sonnenwende im Sommer wurde ein Fest veranstaltet, bei dem die Dankbarkeit an erster Stelle stand. Man dankte seinen Freunden und Verwandten für die Liebe und ihre Hilfe. Den Göttern für Gesundheit und Glück. Dem Schicksal für das Wohl, das es einem zugutekommen ließ. Gerade in Daunt wurde dieses Fest hochgehalten und vor allem hier dankte man dem Schicksal, als wäre es die einzig wahre Gottheit.
Kays Ansicht nach war das totaler Humbug. Auch sie war, dank ihres Vaters, mit dem Glauben an Götter und vor allem an die Schicksalsgöttin Tyche aufgewachsen. Auch sie sprach zu ihr, bat sie um Hilfe und dankte ihr. Doch sie machte sie nicht dafür verantwortlich, wenn es ihr schlecht ging. Sie gab ihr keine Schuld an trüben Tagen und sie machte sich keine Illusionen, dass beten und Hingabe allein, einem alle Türen und Tore öffnete. Die Menschen dachten so, Kayleigh nicht. Und das war einer der Punkte, die Jenson an ihr liebte. Sie sah klar und logisch. Sie wusste, von nichts kommt nichts. Jeder ist Herr seines Schicksals. Karma ist Echo. Sie war die erste Frau, die das so sah wie er.
Im Anwesen war es ruhiger geworden, denn die meisten der Dienerschaft kümmerten sich nun darum, dass alles zum Festplatz gebracht wurde. Jenson bog in den Flur zur Bedienstetentreppe nach oben ein, nahm die achtzehn Stufen, immer zwei auf einmal und stand kurz darauf an der Tür zu Kayleighs Arbeitszimmer. Er lauschte und hörte sie reden, dann einen Mann, Nordin, ihr Schatzmeister, danach eine Frau, die Jenson nicht zuordnen konnte. Er wartete also, bis beide sich verabschiedet hatten, und schob die verborgene Tür erst auf, als die Haupttür zum Ratszimmer zuging.
Kay lehnte rückwärts an der Tischplatte, ein Blatt Papier in den Händen. „Ich dachte schon, du willst da gar nicht mehr rauskommen“, sagte sie, den Rücken noch immer zu ihm gewandt und den Blick auf dem Papier.
„Wer war die Frau?“, wollte er wissen und ging um den Tisch, bis er vor ihr stand.
Sie schaute nicht auf. „Marry. Die Schneiderin. Sie musste noch was ändern. Du hättest reinkommen können. Sie kennt die Tür.“
„Das wusste ich nicht. Warum kenne ich die Frau nicht?“
„Sie kam erst gestern hier an. Ich kenne sie von früher. Wir waren damals schon Freundinnen.“
Jenson legte eine Hand über das Papier und verwehrte ihr damit, weiterzulesen. „Ich sagte doch, ich will die Leute sehen, bevor sie zu dir kommen.“
Kayleigh atmete ein und aus und hob den Blick. „Sie ist in Ordnung. Wir kennen uns schon ewig. Wir haben regelmäßigen Briefkontakt, seit sie weggezogen ist, und sie hat mir dieses Kleid gemacht.“
Er schenkte dem Kleidungsstück keine Beachtung. „Wir hatten eine Abmachung, Kay. So läuft das nicht.“
Sie richtete sich auf, griff die Schärpe seiner Uniform und zog ihn näher. „Bitte entschuldige, Lord Highgrade. Ich werde sie ordnungsgemäß zu dir schicken, damit du deinen Segen geben kannst.“
„Das ist nicht witzig, Kayleigh!“, zischte er. „Ich muss dich nicht an den letzten guten Freund erinnern, der dir ein Messer zwischen die Rippen treiben wollte?!“
Sie senkte getroffen den Blick und legte ihre Stirn an seine Brust. „Du hast ja recht. Bitte verzeih mir. Ich habe nicht daran gedacht.“
Er legte ihr die Arme um und gab ihr einen Kuss aufs Haar. „Bitte denk das nächste Mal nach.“
„Das werde ich.“ Für einen Moment standen sie noch Arm in Arm, dann schob Kay ihn sachte weg und lächelte frech. „So, jetzt will ich aber die Bewunderung, die mir zusteht. Was sagst du zu dem Kleid?“
Jenson nahm etwas Abstand, um sie vollständig betrachten zu können. Sie drehte sich elegant, wobei das hellblaue Kleid sich leicht ausstellte und sanft wogte. Es hatte keine Ärmel, war luftig geschnitten und wirkte sehr sommerlich, mit den vielen leichten Lagen aus dünnem, fast durchscheinendem Stoff. Zusammen mit den offenen Sandalen, dem schlichten Silberschmuck und Kayleighs offenem schwarzem Haar, wirkte es zurückhaltend schön.
Er räusperte sich und meinte: „Na ja. Geht.“
Ihr Ausdruck wurde verwundert und dann enttäuscht. „Es gefällt dir nicht? Weil es blau ist, oder? Aber schwarz ging nicht. Es muss doch fröhlich aussehen.“
Er grinste frech. „Es gefällt mir schon. Aber ganz ohne ist noch schöner.“
„Ganz ohne?“
„Stoff.“
Ihre Miene wechselte von verwirrt zu wissend. „Ist das so? Na, das fänden sicher noch mehr Männer schön. Nicht nur du.“
„Davon ist auszugehen.“
„Du Schuft. Wenn du mich anderen so anpreist ...“
„Dich anzupreisen, würde mir nie in den Sinn kommen. Und wenn ich dürfte, wärst du schon lange meine Frau vor allen Göttern und dem Gesetz.“
„Und trotzdem stört es dich ganz offensichtlich nicht, dass auch andere meine nackte Haut sehen und sich daran erfreuen können.“
„Wir wissen beide, wie wenig es mich stört. Allerdings nur solange du mich weiterhin in dein Bett lässt, mich in meinem besuchst und mich nicht austauschst. Ich kann immerhin stets damit angeben, dich meine Frau zu nennen. Das kann kein anderer.“
„Stimmt wohl.“
Er grinste. „Sollen sie glotzen, bis ihnen die Augen ausfallen, dann werde ich lächeln, zu dir gehen, dich küssen und sie werden sterben vor Neid.“
Kayleigh schüttelte den Kopf. „So durchtrieben.“
„Natürlich.“
„Ich liebe dich.“
„Ich weiß.“
Gemeinsam gingen sie schließlich nach unten, wo er ihr in die offene Kutsche half, die sie erst nach Daunt, dann durch dessen Straßen und später zum Festgelände fahren sollte. Jensons Knappe hatte Mitternacht an den Zügeln und reichte ihm das Leder. Kay zog die Brauen nach oben und schüttelte den Kopf, als sie das Pferd sah. Mit der offenen Mähne und dem ungebundenen Schweif fiel es aus der Masse heraus. Jenson grinste, schwang sich in den Sattel und reihte sich hinter der Kutsche ein, um zu warten, dass es losging.
Der Zug setzte sich in Bewegung. Sie erreichten die eigentliche Stadt recht schnell, drosselten ihr Tempo aber, als die ersten Leute in Sicht kamen. Die Menschen standen schon weit vor der Stadtmauer links und rechts des Weges, feierten und jubelten der Stadtherrin zu. Es waren längst nicht alles Daunter. So wenige Einwohner wie Daunt zählte, applaudierten und pfiffen hier wohl in der Mehrzahl Auswärtige, die in der Stadt arbeiteten oder Handel trieben. Wie auch immer. Kayleigh war durchaus beliebt und hatte viele Anhänger, die ihr gewogen waren.
Jenson wurde aufmerksamer und ließ den Blick achtsamer über die Leute und die Umgebung schweifen. Leider hatte sich nämlich in den letzten Monaten herausgestellt, dass mit ihrem Erfolg im Halten der Stadt, auch missgünstige Leute gehäufter auftraten. Es hatte allein in den letzten beiden Monaten zwei Anschläge auf Kay gegeben und irgendjemand hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, ihr Droh- und Hassbotschaften zu schicken.
Kayleigh nahm es nicht ganz so ernst wie Jenson. Allerdings hatte sie auch ziemlich viel um die Ohren. Sie verließ sich darauf, dass er da war, und er war es stets. Die Elfenfrau vor ihm in der Kutsche hatte seine volle Loyalität und Unterstützung. Es gab nichts, was er nicht für sie tun würde. Ihre gegenseitige Hingabe machte ihre Beziehung so perfekt. Sie vertrauten einander blind. Sie liebten einander ohne Einschränkungen oder Vorurteile. Sie wussten instinktiv, was der andere brauchte, und gaben es, ohne großartig zu überlegen.
Kayleigh hatte hier eindeutig die größeren Freiheiten. Jenson gewährte sie ihr, weil er seine Frau verehrte. Weil er wollte, dass sie glücklich war. Sie würde es ihm ebenso erlauben, das wusste er. Doch er wollte keine Freiheiten, die andere Frauen beinhalteten. Kayleigh reichte ihm vollkommen. Außerdem war sie jung und eine Elfe, wenn auch nur zur Hälfte. Ihr Temperament und die Wildheit war die einer vollblütigen, genau wie ihr Aussehen, das sie kaum von einer richtigen Elfe unterschied. Er würde sie also ohnehin nicht halten können, wäre er zu besitzergreifend.
Es gab jede Menge Männer, die sie sofort nehmen würde, jedoch von Jensons Präsenz davon abgehalten wurden. Zwar musste er, dank seiner natürlichen Ausstrahlung, kaum etwas dafür tun, dass Konkurrenten auf Abstand blieben, doch es war besser, seiner Liebe ein paar Freiheiten einzuräumen, damit sie eben sah, wie sehr er sie liebte. Wobei er an den Privilegien, die sie genoss, einen ebenso großen Anteil hatte. Wenn auch auf andere Weise. Sie sollte ihren Spaß haben, sich austoben und solange sie zu ihm zurückkehrte, war das in Ordnung. In jüngeren Jahren war er ja keineswegs besser gewesen.
Kayleigh vor ihm winkte den Leuten und freute sich mit ihnen. Sie lehnte sich oft weit über die Seite der Kutsche, um jemandem die Hand zu reichen, oder etwas entgegenzunehmen. Mit argwöhnischem Blick verfolgte Jenson jede ihrer Bewegungen und versuchte, alles genau einzuschätzen, was ihr gereicht wurde. Es war nicht viel nötig, um jemanden zu ermorden. Nicht mal eine Elfe war geschützt vor Giftgeschenken oder Feuerbotschaften. In der Stadt selbst blieb Kay dann dankenswerterweise in der Kutsche und winkte nur noch oder rief Grüße in die Menge. Er hatte sie um diese Rücksicht gebeten. Mit Nachdruck.
Am Haupthandelsplatz hielt die Kutsche für einen Moment, denn vor dem Gefährt hatte sich eine Traube an Menschen gebildet. Jenson schickte ein paar seiner Leute nach vorn, um den Weg freizumachen, und ritt selbst näher ans seitliche Heck der Kutsche heran.
„Entspann dich mal“, lächelte Kay frech. „Du siehst aus, als wolltest du gleich platzen.“
„Mmm“, brummte er lediglich und warf ihr einen missbilligenden Blick zu, bevor er erneut die Menge musterte. Auch hier war viel Lärm, viel Jubel, Pfiffe und Feststimmung. Die Leute an der Straße waren schon mitten in der Sommersonnenwendefeier. Vor den Gasthäusern und Schänken tummelten sich ebenso einige Ansammlungen. Oftmals Männergruppen, die extra für diese Tage nach Daunt gekommen waren, einfach, um zu feiern.
Als Jensons Blick von einer auf die andere Seite glitt, und dabei auch kurz Kayleigh erfasste, sah er, dass sie ebenfalls jemanden entdeckt zu haben schien. Er folgte ihrem Blick und erkannte augenblicklich, wer es war. Der Typ von gestern, um den sie gebeten hatte.
Der Zwerg stand mit seinen Freunden vor einer der Schänken, trank bereits und lachte, doch sein Blick hielt den von Kayleigh fest. Unwillkürlich kribbelte es in Jensons Magen. Diesmal hatte seine Liebe sich einen echten Jungspund ausgesucht. Kein Knabe, der gerade erst das andere Geschlecht entdeckte. Bei allen Göttern, dafür war Jenson dankbar. Aber trotzdem sehr viel jünger als sonst.
Normalerweise bevorzugte sie Männer in Jensons Altersgruppe. Anfang bis Mitte dreißig. Nie waren sie jünger, meist sogar drei, vier Jahre älter. Der da, war vielleicht gerade mal so alt wie sie selbst. Also Anfang zwanzig. Vermutlich war er sogar noch jünger. Es wurmte Jenson ungemein, dass sie diesmal so gewählt hatte. Zum Glück hatte der Hanswurst nicht zugesagt. Wobei ...
Die Kutsche ruckte, Jenson trieb Mitternacht vorwärts und schob sich in das Sichtfeld der beiden. Kayleigh wandte den Blick zu ihm, schmunzelte und ließ sich rückwärts sinken, bis sie gemütlich in der Kutsche lehnte.
Die restliche Fahrt verlief ohne Probleme und die Prozession erreichte wenig später den Festplatz. Er war wirklich schön geschmückt worden. Überall standen Fackeln und Tische, auf denen Köche, Bäcker und Fleischer ihre Gerichte anboten. An großen Holzmasten waren Wimpelketten befestigt, dazwischen baumelten Lampions. Da es noch hell war, waren sie nicht entzündet, doch später am Abend, würde ihr diffuses Licht den Platz in eine wunderbare Atmosphäre tauchen.
Für solch offensichtliche Romantik hatte Jenson nichts übrig. Kayleigh mochte das alles. Zum Glück nicht im Übermaß, sodass seine wenigen Anläufe, es zu versuchen, schnell ein Ende fanden. Hier und da eine Kleinigkeit, ein Wort, eine Berührung, ein Blick. Das reichte für beide.
Da er selbst vor dem Beginn des Festessens noch die Parade reiten musste, blieb Jenson im Sattel sitzen, als Kay aus der Kutsche stieg, zu ihm kam und seine Hand an den Zügeln griff. Er beugte sich zu ihr und nahm die leichte Berührung der Wange an.
„Benimm dich diesmal bitte“, bat sie und meinte seinen letzten Ausbruch aus der Formation zum Winterfest. Er hatte die Parade etwas aufpolieren wollen, indem er zeigte, was Mitternacht bereits gelernt hatte. Die Menge hatte es damals nicht schlecht gefunden. Kayleigh war stocksauer gewesen.
„Ich gebe mir Mühe“, grinste er frech, wofür er einen Schlag aufs Bein bekam. Sie wandte sich betont hochnäsig ab und lief zu ihrem Platz an der Festtafel. Jenson grinste noch immer und machte sich auf den Weg, die Parade zu eröffnen.

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